Nicht Reviere markieren, sondern Zitate

Gehört Ihr zu den Menschen, die Bücher möglichst unversehrt aufbewahren, oder macht Ihr Bücher zu Lernwerken?

Wir müssen aber auch gar kein Entweder-Oder daraus machen. Selbst ich würde mich je nach Buch mal zu den Einen, mal zu den Anderen zählen. Worauf ich mit dieser Frage allerdings hinauswill, ist eine gewisse Ermutigung, manch (Sach-)Buch als Schulheft zu behandeln.

Früher habe ich mich schwer damit getan, in Büchern zu arbeiten. Im Sinne der Nachhaltigkeit und Privatspähre ist das ja auch nicht immer geboten. Allerdings gibt es doch einige Bücher, auf die ich über die Jahre immer wieder zurückgreife. Ich genieße es, ich zelebriere es, in diesen Büchern zu arbeiten und nachlesen zu können, was ich zu unterschiedlichen Zeiten als wichtig und inspirierend erachtete; welche Gedanken und Fragen ich dazu hatte.

Ein paar meiner Zitat-Schätze möchte ich heute mit Euch teilen. Auf diese Weise bekommt Ihr nicht nur ein paar interessante, kreative Denkanstöße – ihr bekommt auch noch ein paar Buchempfehlungen mitgeliefert.

Los geht’s:


Biologen (…) betrachten Kreativität nicht als Charakteristikum besonderer Individuen, sondern als grundlegende Eigenschaft aller Lebewesen. Leben besteht für sie in einem kontinuierlichen und kreativen Anpassungsprozess des Individuums an seine Umgebung. So wie die einfachsten Lebewesen bedarf auch der biologisch hoch entwickelte Mensch einer beständig wirkenden Kreativität, um überlebensfähig zu sein.

(…)

Kreativität ist kein Zeitvertreib für Müßiggänger, sondern ein Erfordernis jeder sozialen Gemeinschaft. Ohne Kreativität ist nach dieser Auffassung die Welt nicht nur langweilig, sonder liefert sich Kräften aus, die sie zerstören. Aus politischer Sicht müssen Bürgerinnen und Bürger ihrem Leben kreativ Sinn und Struktur verleihen, um friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.

Rainer M. Holm-Hadulla, Kreativität – Konzept und Lebensstil

In meinen Augen ist Kreativität eine spirituelle Erfahrung. Es spielt keine Rolle, von welcher Seite Sie den Prozess betrachten, ob für Sie Kreativität zu Spiritualität führt oder umgekehrt.

Julia Cameron, Der Weg des Künstlers, S. 24

Ich verstehe Kreativität eher als etwas Fließendes, das wie unser Atem zirkuliert; nichts Abgehobenes oder Verborgenes, sondern das, was wir jeden Tag sehen, wenn wir nach innen blicken.

Michael Atavar, Kreativ sein, S. 9

Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unserer Zeit. Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt. Da, wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er Künstler.

(…)

Die Kreativität der Menschen ist das wahre Kapital.

Joseph Beuys, Spiegel-Interview von 1984

Wir führen allesamt das Leben von Künstlern, ganz egal, ob wir formal Kunst schaffen oder nicht. Wir nehmen Informationen auf und filtern und sammeln sie, um dann auf dieser Grundlage eine Erfahrung für uns selbst und andere zu gestalten. Es spielt keine Rolle, ob wir dies bewusst oder unbewusst tun – durch die bloße Tatsache, dass wir leben, sind wir aktive Teilhaber im ständigen Schöpfungsprozess.

Rick Rubin, kreativ. Die Kunst zu sein

Kreativität ist keine seltene Fähigkeit. Und gar nicht schwer zugänglich. Kreativität ist ein grundlegender Aspekt des Menschseins. Sie ist unser Geburtsrecht und wir alle tragen sie in uns.
Bei Kreativität geht es nicht ausschließlich um das Hervorbringen von Kunst. Wir alle sind tagtäglich kreativ.
Etwas zu erschaffen bedeutet, etwas ins Sein zu bringen, das vorher noch nicht da war. Das könnte ein Gespräch sein, die Lösung zu einem Problem, eine Nachricht an eine Freundin, das Umstellen von Möbeln in einem Raum, die Wahl eines anderen Heimwegs, um so einen Stau zu vermeiden.
Was du erschaffst, muss nicht bezeugt, festgehalten, verkauft oder hinter Glas geschützt werden, um ein Kunstwerk zu sein. Schon allein durch unser ganz gewöhnliches Dasein sind wir Schöpfer im tiefsten Sinne, denn wir erschaffen unsere Erfahrung der Wirklichkeit und gestalten die Welt, die wir wahrnehmen.

Rick Rubin, kreativ. Die Kunst zu sein

Vor einigen Jahren haben Forscher der Universität von Massachusetts insgesamt 51 Studien zur Wirkung von Effekten finanzieller Anreize analysiert. Sie fanden «überwältigende Beweise», dass Boni die innere Motivation und den moralischen Kompass der Mitarbeiter abstumpfen können. Und als ob dieses Ergebnis nicht schon erschreckend genug wäre: Sie entdeckten zudem, dass Boni und Ziele auch die Kreativität beeinträchtigen können. Mit äußeren Anreizen bekommt man nämlich hauptsächlich mehr vom Gleichen. Wer stundenweise bezahlt, bekommt mehr Stunden. Wer pro Publikation bezahlt, bekommt mehr Publikationen. Wer pro Operation bezahlt, bekommt mehr Operationen.

Rutger Bregmann, Im Grunde gut

Es ist eine verkehrte Welt. Wir verwenden Milliarden darauf, unseren größten Talenten die Karriereleiter hinaufzuhelfen, die sich dann – einmal oben angekommen – fragen, wofür sie das alles eigentlich machen. Gleichzeitig hören Politiker nicht auf zu fordern, dass wir in den Ranglisten noch besser abschneiden müssen. Dass wir noch «höher qualifiziert» werden, noch mehr Geld verdienen und die Wirtschaft noch weiter «wachsen» lassen müssen.
Doch wofür stehen all die Zeugnisse? Sind sie der Beweis für Kreativität und Phantasie oder für die Fähigkeit, stillzusitzen und ja zu sagen?

Rutger Bregmann, Im Grunde gut

Den Menschen sich in seiner Ganzheit entfalten zu lassen, heißt alles Oberflächliche – die Masken, die wir uns auferlegen – und Egozentrische, alle Verhaltensweisen, die gelernten sozialen Codes entsprechen, abzulegen und das Innerste wirken zu lassen. Was dadurch freigesetzt wird und enorme Produktivität ermöglicht, ist unsere Energie, Begeisterungsfähigkeit und Kreativität. 

Doris Rothauer, Kreativität

Betrachten wir die Dinge kreativ oder reaktiv? Automatische Reaktionen sind schließlich die Spezialität der traumatisierten Persönlichkeit, ganz im Sinne des Sprichworts: »Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.« Bei der Kreativität hingegen geht es um etwas Grundlegenderes: Sie beginnt damit, dass wir erkennen, dass wir etwas gestalten können. Dann zeigt sich ein Gespür dafür, was geschaffen werden will. Sie ist ein Aspekt der Authentizität, ein enger Verwandter der Urheberschaft.
Man kann nur kreativ sein, wenn man die Haltung hat: »Hier ist etwas möglich, egal wie es aussieht.« Es gibt viele Gründe für diese Art von Optimismus. Er basiert auf unserem Wissen über die Natur und die Bedürfnisse des Menschen sowie über die Widerstandsfähigkeit und die geheimnisvollen Heilkräfte von Körper und Geist. Wir können auch aus dem Wissen schöpfen, dass jeder von uns zu einer wachsenden Gemeinschaft von Menschen gehört, die den Status quo durchschauen und sich Alternativen dazu ausmalen.
Eine solche Haltung erfordert Geduld und Weitsicht sowie eine gesunde Toleranz sowohl gegenüber dem Realen als auch gegenüber dem Idealen.
Wenn wir die Dinge so sehen wollen, wie sie sind, müssen wir bereit – ja sogar begierig – sein, unsere Illusionen aufzugeben. Wir müssen die Desillusion als etwas Positives betrachten – vielleicht sogar, wie Alanis Morissette im Refrain einer ihrer erfolgreichen Singles sagt, dankbar dafür sein*.

*) Gemeint ist ☛ dieser Song

Dr. Gabor Maté, Vom Mythos des Normalen

Ein Mensch, der eine eher emotionale Sichtweise bevorzugt, tut gut daran, sich auch mit rationalen Denkarten auseinanderzusetzen. Ein von Logik geleiteter Mensch wiederum tut sich einen Gefallen. wenn er irrationale, gefühlvolle Sichtweisen zulässt. Das mag sich zunächst unnatürlich oder sogar unangenehm anfühlen – immerhin stellen wir dabei etwas infrage, das zu unserem Selbstbild gehört -, letztlich entsteht daraus aber ein flexibleres, kreativeres Denken. Es geht nicht darum, überhaupt keinen Standpunkt mehr zu haben, sondern die Möglichkeiten unserer Wahrnehmung besser auszunutzen. Jede fixe Perspektive ist eine Verarmung.

Theresa Bäuerlein & Shai Tubali, Denken wie Einstein

Was würde es mit unserem Leben machen, wenn wir unser Denken als aktives Werkzeug nutzen würden? Es könnte überraschende Vorteile bringen.
Das menschliche Denken ist eine wertvolle Ressource, die meistens mit vollen Händen verschwendet wird, indem man sich der Welt mental widersetzt, statt kreativ mit den Dingen zusammenzuarbeiten. Allzu oft ist Denken nicht mehr als ein Dahintreiben, ein Wegtreiben von der Welt. Dann wieder ist es intensiv damit beschäftigt, alles auszublenden, was in seiner Umgebung passiert. Was würde passieren, wenn man in einer schwierigen Situation diese wertvolle Ressource nicht einfach verschwenden, sondern als konstruktives Werkzeug einsetzen würde, um kreativ und verantwortungsvoll handeln zu können? Wie wäre es zum Beispiel, wenn man, statt frustriert und passiv im Stillen über seine Arbeitsumstände zu schimpfen, sich die Frage stellen würde: »Was könnte mein Beitrag dazu sein, die Arbeitsbedingungen in meinem Job zu verbessern?«
Stellen Sie sich Ihr Denken vor, wie es der Situation begegnet, mit voller Aufmerksamkeit da ist, als aktiver Kollaborateur. Vielleicht könnte das zu einer echten Aktion führen statt zu der sonst üblichen automatischen Reaktion!

Theresa Bäuerlein & Shai Tubali, Denken wie Einstein

1. Die Aussage „Ich bin nicht der kreative Typ“ funktioniert nicht. So etwas wie kreative und nicht-kreative Menschen gibt es nicht. Es gibt nur Menschen, die ihre Kreativität nutzen, und solche, die es nicht tun. Ungenutzte Kreativität verschwindet nicht einfach. Sie lebt so lange in uns, bis sie ausgedrückt, zu Tode vernachlässigt oder durch Abneigung und Angst erstickt wird.
2. Der einzige ganz besondere Beitrag, den wir je in dieser Welt leisten, wird aus unserer Kreativität geboren werden.
3. Wenn wir Sinn stiften wollen, müssen wir uns künstlerisch betätigen. Kochen, schreiben, zeichnen, kritzeln, malen, Sammelalben anlegen, fotografieren, Collagen machen, stricken, einen Motor wieder zusammenbauen, modellieren, tanzen, dekorieren, schauspielern, singen – es spielt keine Rolle. Solange wir kreativ sind, schaffen wir Sinn.

Brené Brown, Die Gaben der Unvollkommenheit