
Welch wertvolle Lektüre!
In Rezensionen zu diesem Buch ist andernorts von Entdeckungsreise, Untersuchung, Rezept, Manifest, intelligenter Thriller, episch, essenziell, inspirierend, bedeutend oder fesselnd die Rede, und jede dieser Zuschreibungen würde ich unterschreiben. Ergänzen möchte ich sie um die Feststellung, dass Dr. Gabor Maté in „Vom Mythos des Normalen – Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert – Neue Wege zur Heilung“ das erstaunliche Kunststück gelingt, ernüchternde, wachrüttelnde Beobachtungen in eine tröstliche Form zu gießen.
Es geht in diesem Buch um das, was wir für normal halten, obwohl es uns von dem entrückt, was uns zu gesunden Menschen macht. Maté nimmt die Rolle von Traumata (die großen und die vermeintlich kleinen), Stress und Alltagsdruck in den Blick und veranschaulicht durch Fallgeschichten, seine Erfahrungswerte als Mediziner und seine eigenen biografischen Lernkurven als Ehemann und Vater (er ist mittlerweile über 80), was sie für Körper und Geist bedeuten. Seine fundierte Bestandsaufnahme beginnt mit den biografischen, schmerzlichen Herausforderungen jedes Individuums und reicht bis zu den zunehmend toxischen Gesetzmäßigkeiten ganzer Gesellschaften. Er macht daraus allerdings keinen Abgesang. Er stimmt uns auf ermutigende Perspektiven ein, die davon handeln, dass wir den Mythos des Normalen (das Ungesunde) in etwas verwandeln können, mit dem es uns besser geht. Wenn Sachbücher Lebenshilfe leisten, ist dieses Buch der Erste-Hilfe-Koffer, über den jeder Haushalt verfügen sollte.