
Das Buch, das ich Euch heute empfehle, wurde mir im Februar im Zusammenhang mit dem Tod meines Vaters von einem ehemaligen Lehrer aus meiner Gymnasialzeit ans Herz gelegt.
Die fünf Einladungen – Was wir vom Tod lernen können, um erfüllt zu leben von Frank Ostaseski ist tatsächlich eines der eindrucksvollsten, präzisesten und (lebens-)klügsten Bücher, die mir in den letzten Jahren zwischen die Finger gekommen sind. Ja, es geht um das Sterben. Aber da das Sterben ein essenzieller Bestandteil des Lebens ist, geht es vor allem um das Leben. Ostaseski, der seine Geschichten und Erkenntnisse aus 30 Jahren Hospizarbeit speist und sich (immer wieder, aber unaufdringlich) auf den von ihm praktizierten Buddhismus bezieht, drückt das so aus:
Die Vergänglichkeit ist der Zugang zu den Möglichkeiten.
Wer jetzt sagt: „Das klingt spannend, ist aber gerade nicht das Richtige für mich.“, dem möchte ich gerne zuflüstern: „Für Bücher wie dieses gibt es keinen falschen Zeitpunkt. Vielmehr wäre es falsch, es nicht zu lesen.“
Unabhängig von Lebenslage eignet sich die Lektüre (auch sehr zu empfehlen: das Hörbuch, das angenehm vorgelesen wird von Andreas Neumann) für all jene, die sich ihren Ängsten und Schmerzen nicht länger ausgeliefert fühlen möchten. Die offen dafür werden möchten, ihren Horizont erweitern und ihr Herz berühren zu lassen. Die ihr Leben noch wahrhaftiger führen möchten. Die aus einer Veränderung eine Transformation werden zu lassen bereit sind.
Dass wir in diesen Seiten hilfreiche Hinweise für den Umgang mit Sterbenden erhalten, wird auf angenehme Weise zur „Nebensache“, weil im Vordergrund das Geschenk dieses Lebens steht und was wir tun können/müssen, um es auszupacken. Dieses Heranzoomen an das Geschenk des Lebens ist es, das uns in Kontakt mit uns selbst bringt und durch die Seiten trägt.
Besonders interessant für mich zu beobachten: Ostaseskis kreative Einstellung zieht sich wie ein roter Faden durch seine Erzählung, auch wenn er sie nur selten selbst so nennt. Wenn er von seinen Einfällen bei der Arbeit mit Sterbenden und Trauernden spricht, wird aber sehr offensichtlich, dass diese Arbeit ohne Kreativität nicht annähernd dieselbe wertvolle und dem Leben zugewandte Arbeit wäre.
Eine spannende Aussage über die kreative Reaktion findet sich auf Seite 214: das Gefühl aufzufangen. Lest das nach, ist wirklich spannend.
Kreativität kommt außerdem auf S. 362 zur Sprache. Hier ein Auszug für Euch:
Das Heilige zu kennen bedeutet nicht, dass man Neues sieht, sondern eher, dass man die Dinge auf eine neue Weise sieht. Das Heilige ist nicht abgetrennt von den Dingen oder anders als sie; es verbirgt sich in ihnen. Und im Sterben haben wir die Gelegenheit, das, was verborgen ist, zu entdecken.
Der beliebte Zen-Meister Thich Nhat Hanh verdeutlich diesen Punkt mit einer einfachen Übung. Er hält ein weißes Blatt Papier hoch und bittet sein Publikum, zu sagen, was sie sehen.
Die meisten antworten: „Ein weißes Blatt Papier.“
Kinder und Dichter reagieren da schon kreativer. Sie sagen „Wolken, Regen und Bäume.“
Zwei der fünf Einladungen verrate ich Euch:
- Warte nicht.
- Kultiviere den Weiß-nicht-Geist.
Den Rest nehmt Ihr am besten selbst in die Hand.
Übrigens eignet sich das Buch hervorragend, um es mit Anderen zu lesen und sich darüber auszutauschen. Wir hatten eine ganz wunderbare Veranstaltung über das Buch in der Buchhandlung Scheuermann bei uns hier in Duisburg.