Die Frage nach der Zuversicht hat mich in den letzten Tagen begleitet. Die Antwort, die ich Gisela Steinhauer dazu in den „Sonntagsfragen“ in der vergangenen Woche gegeben habe, ging in Ordnung (☛ zur Sendung). Aus Sicht der Kreativschaffenden würde ich sie heute allerdings um diese zwei Aspekte erweitern:



In „Zuversicht“ steckt ja die Sicht und damit auch die Perspektive.
Welche Rolle spielt unsere Perspektive?
Einen der eindrucksvollsten Perspektivwechsel im Zusammenhang mit schweren Situationen im Leben verbinde ich mit der Resilienz-Forscherin Dr. Lucy Hone, deren Vortrag „Three Secrets of resilient people“ („Drei Geheimnisse resilienter Menschen“) mich immer wieder beeindruckt
(☛ zum Vortrag, leider nur auf Englisch verfügbar).
2011 unterstützt Lucy ihre Heimatstadt Christchurch nach einem schweren Erdbeben und glaubt, ihre Berufung gefunden zu haben. Doch ein tragisches Unglück im Jahr 2014 stellt sie auf die wahre Probe, wie sie es nennt. Ihre 12-jährige Tochter, deren ebenfalls 12-jährige Freundin und die Mutter der Freundin kommen bei einem Autounfall ums Leben.
So erlebt Lucy plötzlich die andere Seite. Erlebt als wenig stärkend, welche Unterstützung ihr in dieser schlimmen Zeit des Verlusts angeboten wird. Erfährt von niederschmetternden Prognosen bzgl. ihrer Ehe, Gesundheit und Lebensqualität. Die Ratschläge, so gut gemeint sie sein mögen, hinterlassen bei ihr und ihrer Familie vor allem eines: das Gefühl, Opfer zu sein. Ein überwältigendes Gefühl von Ohnmacht.
Wo ist die Hoffnung, die Zuversicht?
Lucy entscheidet, die Ratschläge hinter sich zu lassen. Stattdessen experimentiert sie mit ihren Forschungsergebnissen und beginnt, ihren Trauerprozess aktiv zu gestalten.
Daraus werden ihre drei Geheimnisse bzw. Strategien, die Menschen in schwierigen Zeiten zu Resilienz verhelfen können.
Die ersten beiden Strategien handeln vom Perspektivwechsel bzw. von der bewusst gewählten Perspektive.
Zur ersten Strategie sagt sie in ihrem Vortrag (es folgen eigene Übersetzungen):
Ich habe mich nie gefragt: „Warum ich?“ Vielmehr erinnere ich mich daran, dass ich dachte: „Warum nicht ich? Schreckliche Sachen widerfahren dir wie allen anderen auch. Das ist jetzt dein Leben – Zeit, unterzugehen oder zu schwimmen.“
Zur zweiten:
Resiliente Menschen sind gut darin, sorgfältig auszuwählen, worauf sie ihre Aufmerksamkeit legen. Sie haben die Angewohnheit, Situationen realistisch einzuschätzen. Üblicherweise gelingt es ihnen, ihr Augenmerk auf die Dinge zu konzentrieren, die sie ändern können, während sie die Dinge, die sie nicht ändern können, irgendwie annehmen.

Ihre dritte Strategie habe ich mit dem Wort „Initiative“ versehen:
Resiliente Menschen fragen sich: „Hilft das, was ich tue, oder belastet es mich?“ […] Manchmal wälzte ich noch spät am Abend alte Fotos von Abi und wurde dabei immer aufgebrachter. Ich fragte mich: „Wirklich? Hilft dir das hier oder belastet es dich? Leg die Fotos weg, geh schlafen und sei nett zu dir.“
Zu diesem Unterscheidungsvermögen, also dass wir erkennen, ob uns etwas hilft oder ob es uns belastet, gehört die Folgefrage:
Wenn mir diese oder jene Tätigkeit gerade gar nicht hilft, welche dann?
Aus der Initiative wird eine

Meine These dazu lautet: Wenn uns am wenigsten der Sinn danach steht, ist unser kreativer Ausdruck am nötigsten gefragt.
Ich erinnere mich an unzählige Situationen, in denen ich Kummer hinter mir gelassen oder transformiert habe, indem ich mich einer kreativen Tätigkeit zugewandt habe.
„Du bist ja auch Künstlerin.“, werdet Ihr jetzt vielleicht sagen.
Dazu kann ich Euch sagen: Wenn das Herz zu ist, ist das Herz zu. Wenn Kummer um sich greift, muss auch ich mich wie jeder andere Mensch entscheiden, ob ich mich diesem Kummer hingebe oder ob ich mich dazu durchringen kann, kreative Initiative zu ergreifen.
Diese kreative Initiative kann darin bestehen, mich ans Klavier zu setzen, obwohl mir nicht der Sinn danach steht. Ich kann mein Notizbuch aus dem Regal ziehen und einfach drauf los schreiben, obwohl ich gar nicht weiß, was ich schreiben soll. Ich kann mein iPad oder einen Zettel schnappen und drauf los kritzeln, obwohl ich sicher bin, dass da eh nur nutzloser Quatsch bei rauskommen wird.
Letzteres habe ich am Freitagmorgen für Euch durchgespielt und in einem uninspirierten Moment von Unmut eine Skizze erstellt. Entstanden ist das hier – und die Wortspielerei hatte ich vorher nicht auf dem Zettel:

Es geht hier kein bisschen um das Ergebnis. Es geht darum, aus dem sorgenvollen Gefühl der Ohnmacht auszusteigen und sich als aktiv, kreativ oder meinetwegen selbstwirksam zu erleben.
Wenn wir erleben, wie wir vom Grübeln ins Handeln kommen, gibt uns das

Denn es gibt einen Effekt, auf den wir uns verlassen können, sobald wir kreative Initiative zeigen:
Irgendwas passiert immer. Irgendwas fällt uns immer ein. Kreative Dinge folgen keinem Plan, den wir uns vorher ausgedacht haben. Wir machen keine kreativen Dinge. Kreative Dinge machen uns. Zuversichtlicher. Stärker. Ausgeglichener. GRÖSSER. Freier.
Wenn Euch die genannten Beispiele nicht angesprochen haben, probiert es doch einfach mit der Kamera Eures Smartphones.
1 Geht spazieren.
2 Guckt Euch nach Details um, die Euch ansprechen.
3 Erstellt davon Eure ganz eigenen Momentaufnahmen, an denen Ihr Euch auch später noch erfreuen werdet.
Auch das wäre schon eine kreative Initiative, die Euch weiterbringt. Da bin ich mehr als zuversichtlich 😉.