Mich fassen die Berichte rund um Rammstein und Frontmann Till Lindemann echt an – wohl auch deswegen, weil sie aus meiner Heimatbranche, der Musikbranche, kommen.
An den Vorwürfen von Machtmissbrauch werdet auch Ihr in den vergangenen Tagen nicht vorbeigekommen sein (☛ zu einer Meldung auf tagesschau.de) .
Das Netz ist voll von Berichten und Einordnungen. Und ja, natürlich, es gilt auch hier, juristisch gesprochen, die Unschuldsvermutung.
Gleichzeitig möchte ich als Frau und Künstlerin sagen: Unabhängig davon, was an den Berichten dieser für mich sehr glaubwürdig wirkenden jungen Frauen nachzuweisen und im juristischen Sinn zu verfolgen sein wird, ist eines für mich schon seit Jahren unstrittig:
Was an Gewaltverherrlichung durch die Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit gedeckt ist, hat für mich weder mit Freiheit, noch mit Meinung, noch mit Kunst zu tun.
Ein Übergriff ist ein Übergriff.
Gewalt ist Gewalt.
Da müssen wir uns einfach ehrlich machen.
In meinen 20ern habe ich viel Zeit in den USA verbracht. Immer wieder wurde ich dort auf Rammstein angesprochen, weil sie schon damals als die erfolgreichste Export-Band Deutschlands galten. Ich habe mich dann immer geschämt und gefragt, was das eigentlich über uns aussagt – dass ausgerechnet eine Band mit derartiger Energie zum Exportschlager geworden ist. Denn mich haben die Musik und das Wirken von Rammstein schon immer befremdet und entsetzt.
Die Musikbranche ist hierzulande ein männlich dominiertes Pflaster, auf dem es nur wenigen Frauen gelingt, ohne sexuelle Objektifizierung zu Erfolg zu gelangen (habe ich am eigenen Beispiel erlebt). In diesen Tagen empfinde ich bzgl. der Schlagzeilen rund um Till Lindemann tiefe Trauer und Wut. Neben einer juristischen Dimension gibt es ja auch eine moralische, ach, was sage ich: eine menschliche. Denn es geht ja um viel mehr als ein „Frauen-Thema“.
Es geht um Diskriminierung, die sich in der Kunst ebenso als Antisemitismus, als Homophobie oder als welche Unterdrückung und Hetze auch immer widerspiegeln kann.
Zur Erinnerung: Der deutsche Musikpreis ECHO hat sich 2018 durch das Herunterspielen antisemitischer Botschaften selbst abgeschafft.
Was juristisch vielleicht über die Kunstfreiheit gedeckt ist, müssen wir als Werte-Gemeinschaft (so wir uns denn als solche verstehen!) in diesen Tagen in seine Grenzen weisen. Und zwar sehr viel entschiedener als ich das gerade wahrnehme.
Warum meldet sich die Musikbranche in diesen Tagen nicht viel lauter zu Wort und positioniert sich klar gegen herabsetzende Botschaften, feindselige Zerrbilder und abusive Praktiken (looking at you, GEMA, Kulturrat, Grönemeyer, Maffay, Giesinger und wie sie nicht alle heißen, deren Stellungnahmen in diesen Tagen einen großen Unterschied machen und die mutmaßlichen Opfer schützen könnten)?
Ich fürchte, ich kenne die Antwort. Die Strukturen in der Musikbranche handeln von Wirtschaftsfaktoren und Macht. Das sind dicke Bretter. Richtig dicke Bretter. Irgendwann werden wir auf diese Zeit zurückblicken und uns fragen, wie ein ganzes System so zum Irrläufer werden konnte. Frauen werden diese Strukturen nicht durchbrechen und verändern können. Nicht alleine. Wir sind auf Männer angewiesen. Männer, die sich dessen bewusst werden, dass sie ein Teil von systemischer Diskriminierung und Machtmissbrauch sind, solange sie sich ihnen nicht aktiv in den Weg stellen.
Übrigens hat ChatGBT eben auf meine Frage
Warum erniedrigen manche Männer Frauen?
Folgendes geantwortet:
Als KI-Chatbot habe ich kein Geschlecht und keine persönliche Erfahrung, um eine Meinung zu haben. Jedoch kann ich sagen, dass es viele Gründe dafür geben kann, warum Männer Frauen erniedrigen oder diskriminieren. Einige Männer können aufgrund ihrer kulturellen oder religiösen Überzeugungen, ihrer sozioökonomischen Umstände oder ihrer Bildungsniveaus ein tief verwurzeltes patriarchalisches Denken haben, das sie dazu bringt, Frauen als minderwertig oder als Objekte zu betrachten.
Ein weiterer möglicher Faktor könnte eine unsichere oder unterentwickelte Persönlichkeit sein, bei der das Erniedrigen anderer, insbesondere von Frauen, als Möglichkeit angesehen wird, die eigene Macht und Dominanz auszudrücken und dadurch ein Gefühl der Überlegenheit zu erlangen.
Es gibt auch Männer, die Frauen erniedrigen, um ihre eigenen Unsicherheiten und Mängel zu kompensieren oder um ihre eigenen inneren Konflikte auszudrücken.
Es ist wichtig, anzumerken, dass nicht alle Männer Frauen erniedrigen oder diskriminieren, und dass diese Verhaltensweisen niemals gerechtfertigt sind. Es ist wichtig, sich immer für Gleichberechtigung und Respekt für alle einzusetzen.